Tag 50
Nach einer wundervollen Woche in "Povoa de Varzim", haben wir uns am Mittwoch mittag mal wieder auf den Weg gemacht.
Bis nach Nazare sind es ca. 112 sm, sodass man ungefähr 20 Stunden braucht.
Da die Tage hier im Süden schon deutlich kürzer werden (Sonnenaufgang um 7.15 Uhr und Sonnenuntergang gegen 20 Uhr) war klar, diese Strecke schaffen wir eh nicht in den hellen Tagesstunden. Die weiteren Häfen an der Küste, waren für uns eindeutig nicht ansprechend. In Porto waren wir schon und die Marina war uns zu teuer und die anderen beiden Häfen, sind in Flüssen gelegen, wo man nur bei passender Tide einfahren sollte (sonst ist die Gefahr von großem Schwell, damit einhergehedes Auflaufen und starker Gegenströmung einfach zu groß).
Also war schnell klar - wir schlafen aus und fahren dann die Nacht durch nach Nazare.
Was ein Törn!
Nach einer Woche im Hafen, fiel es uns doch wieder relativ schwer, sich an das Rollen des Bootes und die große Atlantikwelle zu gewöhnen. Das flaue Gefühl im Magen schlich sich schnell bei uns beiden ein.
Wie immer stand ich am Anfang am Steuer und konnte das Zweifeln und Fluchen nicht aufhören:
"Sollen wir nicht doch schon eher in einen anderen Hafen fahren?"
"Warum bin ich bei dem böigen Wind überhaupt rausgefahren?"
"Ich dachte die Wellen sollten wieder länger werden und nicht so spitz sein!"
Und, und, und.
Sofern ich mich dann irgendwann zu einem Mittagsschläfchen durchringen kann, gehts danach meistens aber wieder besser. Nur in den ersten Stunde auf See, stellt man sich doch häufig die Frage:
"Was mache ich hier überhaupt?"
Zur Nacht hin, wurde der Wind dann aber wirklich weniger und die großen Wellen erheblich länger und seltener. Der Vollmond bescherte uns eine unglaublich gute Sicht, sodass wir auch die einzelnen Delphine, die uns durch die Nacht begleiteten, immer wieder erkennen und beobachten konnten.
Wie es das Schicksal so will, gab es auch hier seine Schattenseite, als Sven den Motorraum checkte und sagte:
"Wir haben Wasser im Boot!"
Gott sei dank war es nur Süßwasser und die Vermutung liegt nahe, dass unser Wassertank hinten bei der ganzen Schaukelei nicht ganz dicht ist.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie anstregend es ist, solche Baustellen zu beheben. Danach braucht man immer erstmal 10 Minuten Pause, mit Blick auf den Horizont und etwas zu futtern für den flauen Magen.
Passend zum eigentlichen Morgengrauen dann - Nebel!
Von jetzt auf gleich konnten wir die Hand vor Augen nicht mehr sehen und das natürlich genau in dem Moment, in dem wir wieder näher zur Küste fahren wollten (Nachts hält man sich weit außerhalb, da die Portugiesen Weltmeister im Fischerbojen verteilen sind und man die Taue davon, auf gar keinen Fall in seine Schraube bekommen will.).
Ich kann euch sagen, in all diesen Momenten, lernt man noch einmal ganz neu das Beten!
Als die Sonne dann endlich aufging, wurde die Sicht auch besser, sodass wir Nazare gut ansteuern konnten. Für all die, die es nicht wissen: Nazare ist der Ort, an dem es die größten Wellen der Welt gibt. Diese entstehen aufgrund der Kontinentalspalte die direkt davorher verläuft und ziemlich schnell flach wird (unbedingt mal bei youtube eingeben, es ist echt beeindruckend! ).
Umso absurder schien es mir, dass Nazare mit der einzigste Hafen an der portugiesischen Westküste sein soll, den man bei jedem Wetter anlaufen kann. Aber tatsächlich gibt es eine relativ tiefe Fahrrinne, die bis in die Hafeneinfahrt führt (s.Bild), sodass man keine Angst vor Auflaufen bei hoher See haben muss.
Auch hier mussten wir wieder feststellen - überall Fischerbojen (Körbe die auf dem Grund stehen, mit einem langen Seil nach oben, an dem ein kleiner Ball als Auftriebskörper hängt), sogar noch auf 90m Wassertiefe. Nicht zu fassen!
Ankunft am Donnerstag morgen:
Naja, angekommen in Nazare begrüßte uns eine super nette Hafenmeisterin, wir erkundigten die Stadt, entdeckten eine mega coole Strandbar, leckeren Sangria und durften einen wundervollen Sonnenuntergang genießen.
Jetzt in den weiteren Tagen stellte sich heraus - das war echtes Glück!
Seid Freitag sind wir hier immer wieder komplett vom Nebel verschluckt. Egal zu welchen Tageszeiten, plötzlich ist einfach nichts mehr zu sehen.
Wir sind sehr gespannt, wie wir wohl von hier weiterkommen. Eigentlich müssten wir wieder einen langen Schlag machen (ca. 70sm nach Cascais), da der Hafen in der Mitte dieser Strecke wohl absolut nichts für Segler wäre. Allerdings bräuchten wir dafür auch wieder ein Wetterfenster von 12 Stunden, was sich mit diesem Nebel derzeit als etwas schwierig erweist.
Dann genießen wir eben erstmal ein paar Tage in Nazare und feiern hier vermutlich am Dienstag noch meinen Geburtstag.
Wozu auch Stress machen?
Wir haben ja schließlich Urlaub.
Corona und co.:
Außerdem lassen uns natürlich auch die neusten Entwicklungen mit Corona ein wenig zögern. Überall treffen wir gerade andere deutsche oder niederländische Segler, die alle den gleichen Plan verfolgen:
"Erstmal an die Algarve oder ins Mittelmeer, da überwintern und nächstes Jahr gehts weiter."
Die, die ebenso wie wir weitere Pläne hatten, sind derzeit sehr enttäuscht und wissen noch nicht, wo es hingehen soll.
Und wir?
Wir wissen natürlich derzeit auch noch nicht, wo die Reise weiter hingehen soll. Eigentlich wollten wir nach Madeira, dann auf die Kanaren und von dort mal schauen, wie lange wir bleiben und wo es hingehen könnte.
Jetzt sind die Kanaren allerdings wieder gesperrt, was uns auch erstmal abwarten lässt. Denn zwei Monate auf Madeira verbringen oder trotzdem auf die Kanaren zu fahren und nicht krankenversichert zu sein, bzw. keinen Besuch von Zuhause empfangen zu können, kommt für uns nicht in Frage.
So lassen wir uns jetzt am Festland auch erstmal noch ein wenig Zeit und schauen dann, wo uns der Wind aber auch Corona, noch so hintreibt.
Nur über eins sind wir sehr froh und dankbar:
"Es gibt keine Enttäuschung, da es keine festen Ziele mehr gibt. Wir haben schon mehr erreicht, als wir uns je erträumt hätten."
Wir werden so wie bisher, weiterhin ziellos auf Ziele zurennen, die uns vorher gar nicht so bewusst waren :D.
Das können wir schließlich mit einer wahnsinnigen Zielstrebigkeit.
P.S. Vielen Dank im übrigen an alle, für die tollen Namensvorschläge für unser Schlauchboot. Da die portugiesische Polizei meinte man müsste klar erkennen, dass es das Beiboot von einem Segelboot ist, wird es wohl ab jetzt "der kleine Willy" heißen.
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Ulla, Jochen, Mike, Sabine (Sonntag, 06 September 2020 16:10)
Liebe Grüße von der Yorkshireman von der Überführungstour von Sneek aus. Sind morgen wieder in Sdk. Das hört sich ja Alles sehr spannend von euch aus an. Little Willy ist ein schöner Name.
Amira (Montag, 07 September 2020 21:23)
Oh man das hört sich nach viel Abenteuer an. Super wie ihr beiden das immer wieder gut meistert. Im übrigen ist little Willy ein super süßer Name. Es gibt so einen schönen Spruch der super zu euch gerade passt " Der Weg ist das Ziel " Und Zack habt ihr jetzt eins � vermisse euch