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Der Atlantik eine Buckelpiste!

Hallöchen ihr Lieben! 


Bevor ich euch in den nächsten Tagen von meinen ganz besonderen Erlebnissen, Erfahrungen und vor allem Erkenntnissen aus der Heimat berichte, kommt nun erstmal der Teil, auf den alle schon warten.


Am Samstag (passend zum 1. Mai) sind Sven und Christoph, nach 99 Stunden und 530 Seemeilen auf See, endlich auf den Azoren angekommen.


Natürlich habe ich mir dann auch direkt den nächsten Flieger geschnappt und bin heilfroh, ebenfalls seit Sonntag aus dem verrückten Deutschland wieder raus und in der Sonne auf den Azoren zu sein.


Ich kann euch auf jeden Fall sagen, es ist ein traumhaftes Gefühl, wieder zuhause zu sein :).


Aber jetzt ist es erstmal an der Zeit, für einen weiteren Gastbeitrag von Christoph, der euch mit seinen Schilderungen (glaube ich) einen schönen und gleichzeitig lustigen Eindruck von vier Tagen auf See geben kann. 




Viel Spaß beim lesen und auch an dieser Stelle wieder vielen, lieben Dank an Christoph für deine Mühen und diesen tollen Beitrag!


Sonnenuntergang Richtung Azoren
Sonnenuntergang Richtung Azoren



Christoph's Gastbeitrag:




Sometimes, Gentleman sail upwind!



Madeira ist immer eine Reise wert! 

Auch hier haben wir wieder nette, herzliche und entspannte Menschen kennengelernt.


Zum Beispiel, Tom und Hajo von der "Segel.Bar", mit ihrem unvergleichlichen Charme und Gin! 

Nach zwei netten, gemeinsamen Abenden wurde es dann Zeit, uns von Madeira zu verabschieden. Die Suche nach einem verantwortbaren Wetterfenster um die ca. 530 Meilen zu den Azoren zu bewältigen war erfolgreich. 



Die Entscheidung war gefallen!



Wir schaffen die 530 Meilen mit Windstärke drei bis vier über 3 Tage von steuerbord (kurze Zeit mal etwas mehr) und zum Schluss sogar Flaute,  in ca. 96 Std. +/- .

Und ob ihr es glaubt oder nicht (nachträglich betrachtet) hat der Wetterbericht ziemlich genau gestimmt, aber dazu später mehr.



Dienstag mittag ging es los, eigentlich einen Tag zu spät, aber was solls. 

Tom und Hajo verabschiedeten uns und halfen uns beim ablegen.

Dann war erst einmal im Windschatten der Insel motoren angesagt, 30 Meilen!

Auf der letzten Rille Telefonempfang haben wir uns noch in der Marina in Ponta Delgada angemeldet, dann waren wir allein, auf uns gestellt, die Segel gingen hoch, Segeltrimm (ca. 1 Mal) und dann ging es gegen Wind und Welle, Tag und Nacht auf die Buckelpiste Atlantik. 


Mal tauchte die Sonne ins Meer, mal nicht. Mal tauchte sie aus dem Meer auf, mal nicht. 


Es wurde mehr Wind aus Nord, wir konnten Boden gut machen über unsere Kurslinie zu den Azoren hinaus. 

Das war wichtig, da der Wind später auf Nord-West drehen sollte und das hätte uns weiter vom Ziel weggebracht.


Delphine kamen vorbei, zeigten ihr Ballett unter dem Bug und neben dem Schiff, sprangen tollkühn aus dem Wasser und verschwanden dann wieder. 

Eine riesige Schildkröte kam vorbei. 

Als sie uns sah, drehte sie sich auf den Rücken, winkte uns zu (ach, das sind ja Sven und Christoph mit dem Free Willy, auf dem Weg zu den Azoren), wünschte uns eine Gute Reise und weg war sie. 

Portugiesische Galeeren (eine sehr giftige Art von Quallen mit langen Tentakeln) zogen mit aufgeblähten Segeln vorbei und auch immer wieder war selbst in diesem Teil des Atlantiks, Müll zu sehen. 


Am dritten Tag passierten wir in ungefähr 100m Entfernung ein Riesenteil Müll. Was es war, war nicht genau zu erkennen, da es auf Wasseroberflächenniveau war, aber besser mit dem Schiff nicht draufdonnern. Schon gar nicht bei Nacht oder Sturm oder beidem…



Dann legte der Wind zu.

Zwei Reffs ins Großsegel, Vorsegel eingedreht und so ging es in die Starkwindnacht. 


Wind und Welle begleiteten uns immer von Steuerbord (rechts) voraus, beinahe 4 Tage.


Ein alter,weiser Mann (Engländer natürlich) hat einmal gesagt:



"Gentleman don’t sail upwind!"



Er wusste warum. 


Wir wussten es auch, aber der moderne Mensch sagt zu so etwas wohl "Sachzwang" oder so. 

Wir haben es trotzdem getan und glaubt mir: "Ab dem dritten Tag, wenn Du über die Buckelpiste zimmerst, ist es nicht mehr ganz so schön. Aber auch das geht vorüber!"



Als für die letzten ca. 24h der Wind nachließ und der Motor an ging, beruhigte sich die See schnell und es wurde richtig angenehm 

(bis auf den Motorenlärm)… 


Danke, an den absolut zuverlässigen und auch (dank Sven) super gepflegtem, Volvo Penta Motor unten im Schiff.



Ein absolutes Highlight waren dann noch  (während meiner letzten Nachtwache) Delfine, die bei Meeresleuchten das Schiff begleiteten. 

Beinahe unbeschreiblich.

Die Sonne erwärmt tagsüber das Wasser, Plankton nimmt die Energie (entstanden durch die Sonneneinstrahlung) auf, und gibt sie bei Nacht durch Wasserbewegung und Reibung, in Form von grünlichem Leuchten wieder ab.

Das Kielwasser des Schiffes leuchtet dann sowieso grünlich und ebenso die Spuren der Delfine!! 

Plötzlich schaust Du auf’s Wasser und denkst, da hat einer lauter Torpedos auf dich abgeschossen.

Aber nein, es sind nur Delfine im Meeresleuchten. 

Ein einmaliges und beeindruckendes Schauspiel für mich!



Dann taucht erst Santa Maria und später San Miguel am Horizont auf, die Sonne erwacht ein letztes mal aus dem Meer, wünscht uns einen schönen Tag, und 8 Std. später sind wir fest in Ponta Delgada (der Hauptstadt der Azoren) auf der Insel San Miguel. 



540 spannende Meilen gegen Wind und Welle liegen in unserem Kielwasser und ich kann sagen:


"Gentlemen segeln doch! Upwind."


Vielleicht findet sich einer, der das dem alten Engländer einmal sagt!




Ponta Delgada - die Pandemie holt uns wieder ein:


Auf Funk und Zuruf, wird uns ein Liegeplatz an einem abgeschlossenen Quarantäne-Steg vor dem Marinaoffice zugewiesen. Keine helfenden Hände eines Marineros, alles auf Zuruf mit Maske und Abstand! Wir bleiben hinter Schloss und Riegel liegen, bis einen Tag später, ein Astronautenteam zum PCR-Test in den Hafen kommt. 


Der 1. Mai ist auch in Portugal heilig. 

Das Ergebnis kommt dann Montag kurz vor Mittag. Unserer "Ein-Boot-Ankunftsparty" tat das keinen Abbruch und wir hoffen, dass auch Marineros und Security von der Musik aus Box und Mundharmonika bis spät in die Nacht, genossen haben. 

Leider mussten wir unser Bier alleine trinken, selbst Ketel 1 war am Start, danke Diana!


Sonntagabend kam dann Diana eingeflogen, und alles ging wieder wie gewohnt, in geregelte Bahnen.



Und dann kommt noch etwas, das ich so nicht kannte:

Sonst legen wir unser Schiff mindestens einmal am Tag an oder ab. 

Wenn Schleusen dabei sind sogar mehrfach. Manöver fahren wir auch! 

Wenden Halsen e.t.c. meist mehrfach am Tag! Auch auf der Nordsee! 

Aber beim Langfahrtsegeln, der Name sagt es schon, ist das anders:


 (kurz überlegt)


- Las Palmas ablegen, anlegen Tanken , ablegen

- Funchal Madeira ankern, anlegen, ablegen

- Ponta Delgada anlegen!



In Summe:


14 Urlabstage, 

7 Segeltage, 

860 Meilen segeln, 

1x anken, 

3x ablegen, 

3x anlegen.



Alles in allem habe ich eine Reise hinter mir, die mich beeindruckt hat und die mir neue Seiten des Segelns gezeigt hat.


Jetzt geht es ans Flüge buchen/umbuchen, der 1. Mai hinterlässt auch hierbei seine Spuren und wir schauen mal, wann ich zuhause meine Elke wieder in die Arme nehmen kann. 

Ich freu mich drauf! 


Aber ganz bestimmt freue ich mich auch auf die Fortsetzung unserer Reise von den Azoren Richtung Niederlande! Irgendwann ab Juni. ca. 1500 Meilen mit dem Willi noch einmal über den Atlantik in Richtung Englischer Kanal zusammen mit meinem Skipper Sven

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Kommentare: 1
  • #1

    Sabine (Dienstag, 04 Mai 2021 20:19)

    Super tolle Eindrücke in Worte gefasst :-) schön, dass ihr eine gute Fahrt hattet. Erinnerungen an früher kommen hoch, aber so seefest wäre ich niemals ;-) LG aus dem Norden